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Eine Moschee in Schlafstadt

METHODENBOX

BEREICH 3 – Methode für Gesellschaftskunde

ZIELGRUPPE

Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahren

INTERKULTURELLE KOMPETENZEN

  • Wertschätzung und Respekt gegenüber anderen Menschen
  • Wertschätzung und Respekt gegenüber kulturellen Unterschieden und Vielfalt
  • Interkulturell sensibles Verhalten
  • kommunikatives Bewusstsein
  • kritisches Denken und Hinterfragen

LERNZIELE

  • Erkenntnis, dass wahre Konflikte aus unterschiedlichen Bedürfnissen entstehen können
  • Grundlegende Rechte wie Freiheit von Glauben und Religionsausübung kennen lernen
  • Besser analysieren und diskutieren lernen

ZEIT

120-150 Minuten

BENÖTIGTES MATERIAL

  • Papier für Namensschilder
  • Flipchartbögen
  • eine Uhr
  • eine kleine Glocke für den Bürgermeister
  • Kopien der Rollenkarten, die Darlegung der Situation (des Problems) und die Debattierregeln
  • eine Übersicht der Rollen (auf einer Flipchart oder Tafel), so dass jeder diese sehen kann
  • genügend Platz für die “Ratssitzung” und getrennte Diskussionsbereich für die verschiedenen Gruppen

ABLAUF DER ÜBUNG

  1. Die Lehrkraft erklärt den Schülerinnen und Schülern, dass sie alle Bürgerinnen und Bürger von Schlafstadt sind und legt als Ausgangssituation das Problem dar, dass alle Einwohnerinnen und Einwohner betrifft: Auf einem brachliegenden Stück Land der Gemeinde soll eine Moschee (oder Tempel oder Kirche – s.a. Tipps) errichtet werden.

 

  1. Die Schülerinnen und Schüler werden mit der Übersicht der beteiligten Bürgerinnen und Bürger vertraut gemacht und gebeten, sich eine Rolle auszusuchen. Anschließend erhalten die Schülerinnen und Schüler die Rollenkarten sowie die Beschreibung des Problems und einen Bereich zugewiesen, wo sich die verschiedenen Bürgerinnen und Bürger vorher treffen und beraten können. Sie werden auch schon darauf hingewiesen, wo später die Ratssitzung stattfinden wird.

 

  1. Die Lehrkraft erklärt den Schülerinnen und Schülern die Debattierregeln, die für die gesamte Sitzung gelten.

 

  1. Die Schülerinnen und Schüler haben nun 30 Minuten Zeit, sich mit anderen “Bürgerinnen und Bürgern” zu treffen, sich abzusprechen und sich so auf die Sitzung vorzubereiten (Was sie sagen möchten, wofür sie stimmen werden, …). Die Lehrkraft macht die Schülerinnen und Schülern darauf aufmerksam, dass die Ratssitzung 40 Minuten dauern wird und die Redezeit pro Person eventuell knapp sein kann. Aus diesem Grund ist angeraten, sich auf ein oder zwei Punkte gut vorzubereiten

 

  1. In der Vorbereitungszeit (wenn nicht schon vorher möglich) stellt die Lehrkraft die Tische für die Ratssitzung. Im Optimalfall sitzen die Bürgerinnen und Bürger später im Halbkreis oder in einer U-Form wobei die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister zentral und nach Möglichkeit etwas erhöht sitzt. Es sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass Parteien oder Gruppen zusammensitzen und ihre Namensschilder sichtbar vor sich aufstellen können.

 

  1. Nach 30 Minuten werden alle Bürgerinnen und Bürger zur Ratssitzung zusammengerufen (diese Aufgabe könnte die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister übernehmen). Sie oder er sollte noch einmal an grundlegende Gesprächsregeln erinnern und eine kurze Einführung in den Diskussionsgegenstand geben.

 

  1. Am Ende der Sitzung (nach ca. 40 Minuten), ruft die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister zur Abstimmung auf. Nach der Wahl und der Bekanntgabe des Ergebnisses finden sich die Schülerinnen und Schüler mit der Lehrkraft im Stuhlkreis ein, um die Übung nachzubesprechen.

 

  1. Für die Auswertung legen die Schülerinnen und Schüler ihre Rollen wieder ab und werden dafür in der Feedbackrunde wieder mit ihren normalen Namen angesprochen.

Mit dem Abstand sollen sie reflektieren wie sie den Ablauf der Übung erlebt haben und dabei auf folgende Frage eingehen:

  • Warst du vom Ergebnis der Wahl überrascht? Entsprach das Ergebnis der Position und Erwartung deiner gespielten Person?
  • Wie viel Einfluss hattest du deiner Ansicht nach auf das Wahlergebnis?
  • Haben Gespräche mit anderen deine Meinung beeinflusst oder gar geändert?
  • Ist es dir leicht gefallen, in deine Rolle zu schlüpfen? Warum (nicht)?
  • Könntest du dir vorstellen, dass so eine Situation im wirklichen Leben vorkommt? Kannst du dir ähnliche Fälle vorstellen oder kennst du gar welche?
  • Wie könntest du reagieren, wenn es in deiner Stadt wirklich zu so einem Fall kommt?
  • Hat diese Übung deine Einstellung verändert oder deinen Blickwinkel erweitert?
  • Was verstehst du unter Meinungs-, Gewissens- und Religionsfreiheit? Kennst du irgendwelche Fälle aus der Geschichte, in denen jemandem diese Rechte verweigert wurden?
  • Denkst du, dass Religionsfreiheit ein grundlegendes Menschenrecht ist? Warum (nicht)?
  • In welchem Maß wird dieses Recht in deiner Umgebung respektiert?

EMPFEHLUNGEN

Es ist sicher leichter die Übung (wenn möglich) mit Unterstützung einer Kollegin oder eines Kollegen durchzuführen, um besser auf Fragen und Bedürfnisse während der Übung eingehen zu können. Es kann günstig sein, mehr Zeit zur Verfügung zu haben, um den Schülerinnen und Schülern mehr Raum für Interaktion und Kommentare im Rahmen der Sitzung zu geben. Um Zeit zu sparen, können Sie die Rollen auch schnell per Zufallsprinzip oder schon im Vorfeld verteilen. Stellen Sie sicher, dass alle Schülerinnen und Schüler ihre Vorbereitungszeit sinnvoll nutzen, um sich mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern auszutauschen und um ihre Wortbeiträge vorzubereiten.

Achten Sie bei der Rollenzuteilung darauf, dass die Rolle der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters recht anspruchsvoll ist und die entsprechende Schülerin oder der entsprechende Schüler sich sicher und wohl in der Rolle fühlen muss. Sie oder er wird die Ratssitzung maßgeblich leiten und muss in der Lage sein, die Diskussion zu führen und das Rederecht gleichmäßig zu verteilen. Nehmen Sie sich einen Moment, um die Schülerin oder den Schüler auf ihre oder seine Rolle vorzubereiten.

Anschließend sollten Sie die Moderation allerdings komplett der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister überlassen, zum einen um ihr oder ihm zu signalisieren, dass Sie ihr oder ihm vertrauen, zum anderen damit die anderen Teilnehmenden der Sitzung sie oder ihn in seiner Rolle und den getroffenen Entscheidungen respektieren. Bei Schwierigkeiten können und sollten Sie natürlich helfend eingreifen, aber auch das geht dezent, ohne die Rolle zu übernehmen.

Wenn die Simulation – aus welchem Grund auch immer – etwas aus dem Ruder läuft, ist das nicht direkt als Misserfolg zu betrachten, sondern spiegelt eher eine Lebenswirklichkeit wider und kann sehr interessant für die Auswertung sein, wenn es darum geht, die Schwierigkeit gemeinsamer Entscheidungsprozesse zu analysieren.

Achten Sie bei der Auswertung darauf, dass es nicht zu einer Wiederholung der Simulation kommt. Die Schülerinnen und Schüler sollen einen klaren Abstand zu ihrer Rolle und zur Situation finden, um ihre Erlebnisse objektiver oder zumindest aus einem anderen Blickwinkel reflektieren zu können.

QUELLEN

Compass: Manual for Human Rights Education with Young People, Council of Europe: http://www.coe.int/en/web/compass

ANHANG

Diskussionsregeln

Die Regeln können entsprechende der Gruppengröße und der zur Verfügung stehenden Zeit angepasst werden.

  • Die Sitzung wird vom Bürgermeister oder von der Bürgermeisterin geleitet. Ihre oder seine Entscheidung ist in allen Bereichen bindend.
  • Wenn Du Dich an der Diskussion beteiligen möchtest, dann melde Dich per Handzeichen und warte darauf, die Erlaubnis vom Bürgermeister oder der Bürgermeisterin zu erhalten.
  • Redebeiträge sollten kurz gehalten werden und nicht länger als zwei Minuten dauern.
  • Die Sitzung wird nach 40 Minuten mit einer Wahl über den Bau der Moschee abgeschlossen.
  • Jeder der oder jede die an der Sitzung teilnimmt darf sich an der Diskussion und an der Wahl am Ende der Sitzung beteiligen.

Beschreibung der Situation

Eine Moschee in Schlafstadt (für alle Teilnehmenden)

Du lebst in der hübschen Schlafstadt, einer Stadt mit ungefähr 80.000 Einwohnern. In den letzten 60 Jahren hat sich die Bevölkerungsstruktur stark verändert. Das ist zum einen so, weil viele meist junge Menschen versuchen, in größere Städte zu ziehen weil es dort bessere Arbeitsmöglichkeiten gibt, aber auch weil die Region einem großen Zuzug von immigrierten Familien ausgesetzt ist, meist aus islamisch geprägten Ländern. Einige dieser Familien leben hier schon seit drei Generationen, werden aber trotzdem von vielen Bewohnern mit Misstrauen als “Neuankömmlinge” betrachtet. Diese Familien machen derzeit etwa 15% der Gesamtbevölkerung der Stadt aus.

Das Thema, welches nun die Bewohner der Stadt spaltet, ist der Wunsch der Muslime von Schlafstadt eine Moschee auf einem verfallenen Gelände der Gemeinde bauen zu lassen. Dieses Gelände ist bis jetzt unbebaut gelassen worden und war Anlass von zahlreichen Beschwerden in den vergangenen Jahren, da es sich in der Nähe der wichtigsten Einkaufsstraße befindet und es auf dem Gelände regelmäßig Probleme mit Vandalismus und Drogen gibt.

Als ein reicher Geschäftsmann anbot, die Gemeinde von diesem Problem zu befreien, war der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin natürlich erleichtert! Die Gemeinde hat bereits einer 20%-Finanzierung der Baukosten und einer Überlassung des Geländes für den Bau einer Moschee zugestimmt. Jene 10%, für die der Geschäftsmann nicht aufkommen kann, sollen über die muslimische Gemeinschaft finanziert werden. Mit dem Bau sollte diese Woche begonnen werden… aber die Gemeinde wurde mit Beschwerden wütender Bürger überflutet, die sich dem Projekt entgegensetzen. Es wurde eine außerordentliche Sitzung zur Lösung des Problems einberufen, zu welcher alle eingeladen wurden. Die Sitzung beginnt in 30 Minuten.

Rollenkarten

Der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin von Schlafstadt

Du leitest die Sitzung und Deine Rolle ist es, zu Beginn der Sitzung, alle Teilnehmenden willkommen zu heißen und sie an die Diskussionsregeln zu erinnern. Während der Diskussion solltest Du versuchen, jedem und jeder die Möglichkeit zu geben sich zu beteiligen – und darauf achten, dass niemand zu lange spricht! Du bist sehr besorgt über das schlechte Image, welches durch diese Geschichte entstanden ist und du hast Dir vorgenommen noch vor der Sitzung einige Gruppen anzusprechen um sie zu überzeugen, ihre Meinung etwas abzuschwächen.

 

Mitglied des Gemeinderats: Traditions-Partei (1 oder 2 Personen)

Du vertrittst die Traditions-Partei im Gemeinderat und Du bist strikt gegen die Moschee. Du bist der Meinung, dass Gemeindeland und finanzielle Ressourcen der Gemeinde nicht für eine Kultstätte genutzt werden sollten, welche die Traditionen unseres Landes und unserer Stadt nicht respektieren. Du denkst, dass ausländische Familie schon viel Glück haben, hier zu leben und dass sie nicht auch noch versuchen sollten, ihre Lebensart einem Land aufzuzwingen, in welchem sie zu Gast sind. Du befürchtest auch, dass die Moschee zu einem Ort wird, an welchem zukünftige Terroristen rekrutiert werden.

 

Mitglied des Gemeinderats: Volkspartei (1 oder 2 Personen)

Du vertrittst die Volkspartei im Gemeinderat. Du hast damals die Entscheidung über den Bau der Moschee unterstützt, zum Teil weil die muslimische Gemeinschaft sehr positive Auswirkungen auf die Wirtschaft der Stadt hat und Du Dich nicht schlecht mit ihnen stellen möchtest. Die zahlreichen Beschwerden der Bürger der Stadt beunruhigen dich und du möchtest einen Konflikt in der Stadt gerne vermeiden. Du machst Dir auch Sorgen um Deinen Sitz im Gemeinderat bei der nächsten Wahl, so dass Du bereit bist, die Meinung zu unterstützen, die am wenigsten umstritten ist.

 

Mitglied des Gemeinderats: Diversitäts-Partei (1 oder 2 Personen)

Du vertrittst die Diversitäts-Partei im Gemeinderat. Du bist überzeugt davon, dass all der relativ hohe Anteil an Menschen aus unterschiedlichen Teilen der Welt die Kultur und das Ansehen von Schlafstadt bereichern und Du fandest es nicht gerecht, dass die Stadt bis jetzt vielen dieser Menschen die Möglichkeit verwehrt hat, ihre Religion auszuüben. Du weißt auch, dass das brachliegende Gelände soziale Probleme in der Stadt verstärkt und dass die Gemeinde zur Zeit keine finanziellen Ressourcen hat um dieses Gelände zu bebauen.

 

Mitglieder des Vereins “Vergangenheit und Gegenwart” (2-4 Personen)

Dein Verein gehört zu den wichtigsten Gegnern des Moschee-Baus. Deine Mitglieder gehören zu den traditionellen (nicht-muslimischen) Bewohnern von Schlafstadt und Du bist der Meinung, dass es sehr wichtig ist, den Bestand und das Aussehen dieser Stadt zu erhalten, in welcher die meisten von Euch groß geworden sind. Das Gelände, auf welchem die Moschee errichtet werden soll, ist sehr zentral gelegen und die Moschee wäre von vielen Orten im Stadtzentrum aus zu sehen. Insbesondere würde die Moschee den Blick auf die wichtigste Kirche im Stadtzentrum versperren. Du hast das Gefühl, dass sich das Stadtbild deiner Heimatstadt völlig verändern wird und das wegen einer Gruppe von Menschen, die erst kürzlich dazu gekommen sind. Du siehst nicht ein, warum Menschen, die von irgendwoher gekommen sind, nicht nach den Regeln leben sollten, die hier gelten.

 

Mitglieder der Jugend-Aktions-Gruppe “Junge Schläfer für Menschenrechte!” (2-4 Personen)

Deine Gruppe hat sich gegründet um die wichtigsten Probleme für junge Menschen in Schlafstadt anzugehen. Für Dich ist die Moschee eine gute Lösung für die Muslime einerseits, die einen Ort für die Ausübung ihrer Religion brauchen, und für die sozialen Probleme andererseits, die daraus resultieren, dass das Gelände seit so langer Zeit brach liegt. Du unterstützt den Bau der Moschee, aber Du befürchtest auch, dass die Gemeinde andere Bereiche vernachlässigt, wenn sie das Projekt mitfinanzieren soll. Insbesondere wurde der Haushalt für den Bereich Jugend in den letzten 5 Jahren so drastisch gekürzt, dass die wichtigste Bedürfnisse nicht mehr abgedeckt werden können.

 

Mitglieder des “Vereins der Muslime in Schlafstadt” (2-4 Personen)

Seit Jahren schon habt Ihr die Gemeinde darum gebeten, einen Gebetsort für die muslimische Gemeinde zur Verfügung zu stellen, dies wurde jedoch immer aus finanziellen Gründen abgeschlagen. Du findest es ungerecht, dass von der muslimischen Gemeinde verlangt wird, 10% des Baus zu finanzieren, obwohl die Lebensbedingungen für die meisten Mitglieder sehr schwierig sind und die Christen über elf Gebetsorte verfügen und diese von viel weniger Personen genutzt werden, als dies bei der Moschee der Fall sein wird. Du findest, dass der Beitrag, den die Personen Deiner Gemeinschaft für die Stadt leisten, nicht geschätzt wird und dass die Personen Deiner Gemeinschaft ungerechterweise diskriminiert werden, in Bezug auf verschiedene Bereiche ihres Lebens, und dass eine Ablehnung des Baus der Moschee den Mitgliedern Deiner Gemeinschaft das Grundrecht auf Ausübung ihrer Religion entziehen würde.

 

Bürger von Schlafstadt

Du bist besorgt wegen des Konfliktes, welcher die Stadt zu spalten droht und Du möchtest der Sitzung beiwohnen, um Dich an der Wahl zu beteiligen. Im Moment bist Du Dir noch unsicher, für was Du wählen wirst. Du möchtest gerne mit möglichst vielen Vertretern der beteiligten Gruppen sprechen um Dir eine Meinung zu bilden.

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